Photovoltaik (PV) wird in Deutschland mittelfristig Branchenprimus der Erneuerbaren Energien. Solaranlagen werden immer effektiver und „smarter“, indem man sie in ein digitales Energiemanagement integriert.

Fachbeitrag für die Wirtschaftszeitung der Rhein-Zeitung Ausgabe Dezember 2020

Einen Anteil von bis zu 70 % an den Erneuerbaren Energien in Deutschland. Genau dies traut Prof. Eicke Weber, einer der führenden Solarforscher Deutschlands, der PV-Energie zu. Somit würde die Solarenergie das „Zugpferd der Energiewende“, wie die Presse die Windenergie bezeichnet, mittelfristig überholen. „Die Ausbaukapazitäten von PV sind viel größer“, so Weber. „Allein Millionen an Gewerbeobjekten bieten ein riesiges Potenzial für den Zubau“, bestätigt Sven Endris, Geschäftsführer des Solarunternehmens Wi SOLAR aus Kaisersesch. Eine Studie des FraunhoferInstituts schätzt das Ausbaupotenzial für Solaranlagen auf restriktionsfreien Freiflächen auf 3.164 km2, das entspricht etwa der 3,5-fachen Fläche Berlins. Und die Solarenergie, die künftig hinzukommt, ist weitaus moderner, effektiver und vor allem vernetzter. Die neue Generation an PV-Anlagen liefert deutlich mehr Strom. Und zunehmend gefragt sind sogenannte intelligente Netze (Smart Grids), der aktuell vielleicht wichtigste Pfeiler der Digitalisierung in der Energiewende. „Auf uns als PV-Dienstleister kommen völlig neue Aufgaben zu“, freut sich Martin Gött, Leiter Service & Wartung bei Wi SOLAR. Ein modernes Lastenmanagement sowie effektivere und größere PV-Anlagen verändern auch die Ansprüche der Kunden. „Es genügt nicht mehr, alle paar Monate eine Wartung durchzuführen. Wir sprechen hier stattdessen von einem permanenten Monitoring“, so Gött.

Martin Gött, Leiter Service & Wartung Wi SOLAR

Moderne Solaranlagen sind bereits 30 % effektiver als Vorgänger

Vieles hat sich getan, seit mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz Anfang der 2000er-Jahre der Grundstein für die damals noch sehr unprofitable PV-Energie gelegt wurde. „Ohne die Einspeisevergütung beispielsweise wären wir heute nicht da, wo wir sind“, resümiert auch PV-Unternehmer Endris. Viele Bürger betrachteten den Sonnenstrom seinerzeit als attraktive Ergänzung zur Altersvorsorge. Über diesen Status ist die Solarenergie längst hinaus: Die neueste Technik ist rund 30 % effektiver. „Heutige Solarzellen bringen es auf eine durchschnittliche Nennleistung von rund 200 Wp/m2“, so Martin Gött. Diese Entwicklung ist laut Prof. Weber vergleichbar mit der der Windkraft. „Auch Windräder werden höher und eine Anlage produziert mehr Strom als mehrere ältere Modelle“. Solaranlagen fallen aber weniger auf. Die Akzeptanz für Windkraft schwindet, Bürger klagen gegen die Ausweisung neuer Flächen. „Ein Grund, warum ich PV langfristig als Branchenführer sehe“, so Weber. Die aktuellen Leistungssteigerungen der modernen Anlagen sind da ein wichtiger Schritt. „Wie viel Leistung am Ende produziert wird, hängt von vielen weiteren Faktoren ab, zum Beispiel Standort, Dachneigung, Ausrichtung oder Jahreszeit“, so Martin Gött. „Um den Kunden hier eine möglichst belastbare Schätzung abgeben zu können, führen wir zunächst eine Ertragsprognose durch“.

Digitalisierung ermöglicht dynamisches Leistungsmanagement

Kernaufgabe von Solarzellen bleibt die Produktion von ökologischem Strom. Aber wie überall schreitet die Digitalisierung auch beim Thema Erneuerbare Energien voran. PV-Anlagen können heute via Internet gesteuert, ausgelesen und gewartet werden. „Unsere Kunden wünschen sich ein permanentes Monitoring, mit dem sie selbst die Kontrolle über ihre Energieversorgung haben“, berichtet Martin Gött. Wi SOLAR stellt die entsprechenden Lösungen bereit, mit denen der Kunde einen Überblick darüber hat, wie viel Strom aktuell auf dem Dach erzeugt wird, wo die meiste Energie verbraucht wird und wie sich gezielt Strom sparen lässt. „Vergleichbar mit „Smart Home“ kann der Solarnutzer ein intelligentes Energiemanagement betreiben und wir schaffen hierfür die technischen Voraussetzungen“, berichtet Sven Endris. Durch die intelligente Steuerung von PV-Anlagen optimieren gerade Industrieund Gewerbekunden ihren Betrieb; auch, indem sie diese mit anderen Elementen wie Blockheizkraftwerken oder Kühl-/ Klimatechnik kombinieren. „Das ist vor allem für Nutzer aus dem gewerblichen Bereich sowie für Handel und Kühllogistik interessant“, sagt Sven Endris. Bei Überkapazitäten kann noch zusätzlich der elektronische Fuhrpark aufgeladen werden. Ergänzend hierzu eröffnet die Digitalisierung neue Wege der Direktvermarktung, indem der Dienstleister auf die PV-Anlagen zugreift, Prognosen erstellt und den überschüssigen Strom an der Börse vermarktet. „Die Digitalisierung ermöglicht uns zudem, die PV-Anlagen unserer Kunden via Fernwartung zu prüfen“, berichtet Martin Gött. Hierzu betreiben die Kaisersescher eine „Wi SOLAR Leitwarte“. „Um das Beste für unsere Kunden herauszuholen, müssen wir längst nicht immer vor Ort sein“, so Endris. Das Ziel lautet: Intelligente Steuerung und Ertragssicherheit durch einen störungsfreien und langlebigen Betrieb der fortlaufend optimierten PV-Anlagen. Hierzu nutzt Wi SOLAR auch die Thermografie, bei der die Solaranlagen mittels Wärmebildkamera inspiziert werden. „Defekte innerhalb von PV-Anlagen steigern den elektrischen Widerstand, das wiederum erzeugt Wärme, die wir mit der Kamera sehr schnell erkennen“, erklärt Martin Gött. Die Thermografie gehört zu den weniger werdenden Tätigkeiten, die vor Ort an den Anlagen ausgeführt werden müssen.

Energiewende ohne Digitalisierung nicht denkbar

Prof. Eicke R. Weber, Senator, Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft BVMW

Aber nicht nur die „internen Stromnetze“ werden intelligenter. „Überregionale Smart Grids sind ein Pfeiler der Energiewende“, weiß Eicke Weber. Die in Deutschland sehr gute Versorgungssicherheit beruht laut Dr. Weber vor allen Dingen auf dem hohen Digitalisierungsgrad des Energiesektors. Dazu tragen auch PV-Anlagen entscheidend bei. So können Netzbetreiber ebenso wie Solardienstleister direkt auf die Anlagen zugreifen und für eine hohe Netzstabilität sorgen. Mit aktuell 54 % Anteil an Erneuerbaren Energien liegt der SAIDIIndex – ein Indikator für die Zuverlässigkeit der Stromversorgung – hierzulande lediglich bei 12 Minuten. Dies ist die Zeit, in denen der Kunde im Durchschnitt aufgrund eines Netzausfalls (o. Ä.) auf Strom verzichten muss. Zum Vergleich: Frankreich mit seinen vielen Kernkraftwerken kommt auf 50 Minuten, Großbritannien gar auf 70. Bei Smart Grids steuern Algorithmen die Stromversorgung anhand von errechnetem Verbrauch, Kapazitäten und Preisniveau. „Das wird auch den privaten Stromhaushalt revolutionieren“, so Weber, der sich zudem wünscht, dass auch Deutschland wieder vermehrt Solaranlagen produziert. „Bei der neuesten Generation, den sogenannten Hocheffizienzzellen, stehen wir gerade erst am Anfang“, so Weber. Der Solarforscher empfiehlt der Bundesregierung, mögliche Investoren gezielt durch Kreditgarantien zu unterstützen, wie seinerzeit in China geschehen. „Subventionen nach dem Gießkannenprinzip sind wenig zielführend“. Sven Endris ergänzt: „Für uns als Installateur und Wartungsdienstleister ist natürlich erst einmal entscheidend, dass der Bedarf an Kollektoren überhaupt gedeckt werden kann“. Aber auch bei Wi SOLAR wäre man erfreut, wenn die heimische Produktion wieder Fahrt aufnimmt. Zwei Dinge jedoch stehen schon heute fest: Die PV-Energie wird massiv wachsen und auf Wi SOLAR kommen viele „smarte“ Tätigkeiten zu. Die eigentliche Montage der PV-Anlagen ist heutzutage erst der Anfang.